Bei einer ganztägigen Informations- und Vernetzungsveranstaltung in den Berliner Osramhöfen tauschten sich Ende August rund 90 Teilnehmende zu den Herausforderungen und Stellschrauben für regionale Wertschöpfungsketten von Bio-Gemüse, -Fleisch und -Kichererbsen aus. Eingeladen hatten die Projekte „Regionales Bio-Gemüse aus Brandenburg“, die Fördergemeinschaft Ökologischer Landbau Berlin-Brandenburg, die Hochschule für nachhaltige Entwicklung Eberswalde, die Öko-Verbände Biokreis, Bioland, Biopark, Demeter und Naturland sowie die Projekte „GanzTierStark“ und „WertWeideVerbund“.
Der Marktinformationstag war auf den Austausch und die Vernetzung von Akteur:innen ausgelegt, die sonst in dieser Form nicht aufeinandertreffen und wollte Marktstrukturen sichtbar machen. Vertreter:innen aus Erzeugung, Handel, Verarbeitung und der Gemeinschaftsverpflegung sowie aus Verbänden und der Verwaltung erarbeiteten gemeinsam in interaktiven Workshops die Herausforderungen und Chancen regionaler Wertschöpfungsketten.
Schnell zeigte sich, dass das Konzept, alle beteiligten Marktakteur:innen zusammenzubringen, fruchtbar ist. Denn im Verlauf der Diskussionen wurde immer wieder deutlich, dass erfolgreiche Wertschöpfung in der Regel kein Selbstläufer ist, regionale Bio-Erzeugung auf der einen und Bio-Nachfrage auf der anderen Seite verzahnen sich nicht von selbst. „Wertschöpfungskettenentwicklung funktioniert nur durch Vernetzung und Verständnis für die einzelnen Stufen“, so Sabine Kabath (Bio-Gärtnerei Watzkendorf). In einem Fishbowl berichtete sie von den Erfahrungen beim Aufbau einer Wertschöpfungskette am Beispiel der Frisches Biogemüse Brandenburg GmbH (FBB), die Bio-Convenience-Salate und vorverarbeitetes Bio-Gemüse herstellt. Immer bedeutsamer werde die Rolle von Wertschöpfungskettenentwickler:innen: „Ich nehme eine Helikopterposition ein, koordiniere die Akteure, schaue, dass alle am Ball bleiben und bin dabei selbst neutral“, so Johanna Meister, die für das EIP-Projekt „Regionales Bio-Gemüse aus Brandenburg“ den Aufbau der FBB begleitet.
Wie regionales Bio-Gemüse vom Acker in den Naturkostfachhandel kommt, dazu gebe es mittlerweile ausreichend Erfahrung, so die Diskutanten. Schwierig werde es aber, berichtete Jörn Heckert (taz-Kantine) von seinen Erfahrungen, wenn vorverarbeitete Produkte in größeren Mengen und gleichbleibender Qualität nötig werden, wie etwa in der Gemeinschaftsverpflegung. Was Sabine Kabath als etablierte Gemüseerzeugerin in der Region am Küchenchef verwunderte: „Wie kann es eigentlich sein, dass wir uns nicht kennen?“ Teils fehle es, so arbeiteten die Teilnehmenden heraus, schlicht an Informationen über Erzeugerbetriebe, Verarbeitungs- und Vermarktungsakteur:innen, hier brauche es mehr Vernetzung. In vielen Fällen verhinderten aber die grundlegenden strukturellen Lücken die regionale Versorgung mit Bio-Produkten. Das wirke sich wiederum auf das Preisniveau aus.
Bei Bio-Rindfleisch etwa ist es mit mehr Vernetzung allein nicht getan. Hier fehlt es an elementaren Strukturen. Eine – am Anfang der Legislaturperiode von der Landesregierung Brandenburgs viel thematisierte– brandenburgische Öko-Schlachtstätte ist derzeit nicht in Sicht. Wer nicht mit den kleineren, handwerklichen Schlachtstätten wie etwa Gut Kerkow, Gut Hirschaue oder Bio 4 Friends zusammenarbeitet, muss Bio-Rinder zum Schlachten nach Mecklenburg-Vorpommern oder Sachsen transportieren lassen. Noch drastischer ist die Situation bei der Mästung von Bio-Kälbern. Weil die regionale Mast unrentabel ist, wird der Großteil der Jungtiere in konventionelle Mastbetriebe in anderen Bundesländern verkauft. Damit geht dem Bio-Markt Berlin, vor allem der Gemeinschaftsverpflegung, viel Potenzial an regionalem Bio-Rindfleisch verloren.
Die Diskussion zu regionalen Bio-Kichererbsen legte schonungslos offen, dass der Nachfrage seitens des Naturkostfachhandels und der Gemeinschaftsverpflegung bisher keine nennenswerte Bio-Erzeugung in der Region gegenübersteht. „Und selbst wenn wir erfolgreich Kichererbsen produzieren würden, was für sich genommen schon eine große Herausforderung ist“, bemerkte Landwirt Johann Gerdes, „haben wir in Brandenburg keine geeignete weiterverarbeitende Infrastruktur für die Reinigung und Abpackung“.
Als Alternative zur fehlenden regionalen Bio-Verarbeitung wurde sowohl beim Thema Gemüse, als auch bei der Schlachtung und Zerlegung von Bio-Rindern über die Zusammenarbeit mit konventionellen Strukturen diskutiert. „Eine Bio-Kartoffelschälung neu zu etablieren ist schwer, aber eine bestehende Anlage zertifizieren zu lassen ist eine gute Möglichkeit, schnell ins Handeln zu kommen“, berichtete Gerald Köhler aus dem EIP-Projekt „Regionales Bio-Gemüse Brandenburg“. Die mobile Schlachtung von Bio-Rindern und der Aufbau kleinerer, regionalerer Strukturen als Alternative bzw. zur Verkürzung von Tiertransporten wurden ebenfalls diskutiert.
Fakt ist, dass die Situation in Brandenburg in vielerlei Hinsicht nicht mit anderen, vor allem westdeutschen Bundesländern, vergleichbar ist. Mangelnde Infrastruktur, karge Böden und teils fehlendes Know-how stehen vergleichsweise noch immer günstigen Transportkosten gegenüber. „Wenn wir jetzt hier in Brandenburg wieder einen Bio-Gemüsebaubetrieb aufbauen, müssen wir wahnsinnige Investitionen tätigen“, so Junglandwirt Daniel Riesener (Bio-Alpakaland). Auch der Aufbau regionaler Schlachtstrukturen ist kostenintensiv und trifft zudem noch auf gesellschaftliche Kritik. Und für die Etablierung einer regionalen Wertschöpfungskette für Kichererbsen müssen erst die richtigen Sorten gefunden und getestet werden, sonst ist das Risiko der Erzeuger:innen für einen Totalausfall im Anbau viel zu hoch.
Dass die Kombination „regional und bio“ gesellschaftlich gewünscht und klima- und ressourcentechnisch sinnvoll ist – darüber waren sich alle Beteiligten einig. Deutlich wurde aber auch: Bio-Produkte aus der Region einzukaufen bedeute unter brandenburgischen Bedingungen mitunter, mehr Geld in die Hand zu nehmen als für überregionale Konkurrenzprodukte und das unternehmerische Risiko entlang der Wertschöpfungskette zu teilen. Das durchzusetzen bedarf eines kommunikativen Mehraufwands und kooperativen Handels sowohl entlang der gesamten Wertschöpfungskette als auch in Richtung der Verbraucher:innen.